Olgahospital und Frauenklinik Neubau Zusammenlegung Pädiatrisches Zentrum und Frauenklinik, Stuttgart

Auftraggeber|in Landeshauptstadt Stuttgart HBA
Planer Sorg und Frosch Planungs GmbH mit HPP Hentrich–Petschnigg & Partner GmbH + Co. KG, Luz Landschaftsarchitektur
Gestaltung Sonderräume Illustrationen: Andreas Hykade, Arche: Totems Communication GmbH
Leistung LPH 1–9
NF ca. 30.300 m²
Baukosten ca. 460 Mio. EUR
Ausführung 2007–2015

Wand an Wand

In Stuttgart Mitte werden die Frauenklinik und die Kinderklinik Olgahospital als Wand an Wand gebaut

PDF Kindgerechte Einrichtungen für das Olgahospital Stuttgart, Konzeption thematische und gestalterische Leitidee 2007-2013

Wie erklärte bereits der chinesische Philosoph Konfuzius? „Die Wirkkraft des rechten Maßes ist wahrlich gewaltig.“ Eine Erkenntnis, die freilich besonders bei der Architektur Folgen hat, geht es doch dort um das Gefühl für Dimensionen. Dass dieses offensichtlich bei den Architekten der Arbeitsgemeinschaft HPPSFP reichlich vorhanden ist, beweist ihr Entwurf der Kinderklinik Olgahospital und der Frauenklinik, die derzeit in Stuttgart Mitte auf dem Gelände des Klinikum Stuttgarts für die Landeshauptstadt Stuttgart geplant werden. Das Hochbauamt der Stadt Stuttgart ist für die Leitung des Projekts verantwortlich, das in städtebaulicher wie auch ästhetischer Hinsicht viel Sensibilität beweist. So nehmen die Gebäude in unaufdringlicher, gleichwohl markanter Weise den mit Weinreben bewachsenen Hang hinter dem Katharinenhospital auf, als gehörten sie von jeher zur Landschaft.

Unterstrichen wird diese Symbiose durch einen begehbaren, mit Blütenstauden und einem Gras-Kräuter-Mix gestalteten Dachgärten, der in den Hang überzufließen scheint. Aus dieser „Landschaft“ erwachsen lichte, bis zu drei Geschossen hohe Doppelpavillons, die die Maßstäblichkeit der Umgebung aufnehmen. Eine städtebaulich wie formal raffinierte Lösung: Denn die fast quadratischen Pavillons, die wunderbare Ausblicke auf Stuttgart offerieren, ruhen zwar ihrerseits auf einem rechteckigen, mehrgeschossigen Sockelbau, verleihen aber durch ihre versetzte Anordnung und den Durchblicken ins Grüne dem Komplex eine wohltuende Leichtigkeit. Das hat Sinn, denn in den Pavillons sind die Patientenzimmer untergebracht, während der Sockelbau als Funktionstrakt fungiert, in dem sich Untersuchungs- und Behandlungsräume befinden. Über diese „Basis“, zu der auch ein Parkhaus mit circa 470 Plätzen gehört, werden mittels eines Haupteingangs alle Klinikbereiche erschlossen: Im Erdgeschoss bestimmt eine Magistrale das Raumbild, die entlang einer Wegeachse klare Orientierung, aber auch Abwechslung bietet. So wird der Besucher in der lichtdurchfluteten Eingangshalle neben einem Informationspunkt von behaglichen dezentralen Wartebereichen empfangen. Ein Kindertheater, ein Kinderkino sowie Spielecken im spannenden „Märchenschiff“ sind mit ihrem breitgefächerten Angebot für alle Altersgruppen eine Attraktion für Kinder wie Jugendliche.

Transparenz und Leichtigkeit charakterisieren denn auch die anderen Bereiche der in Stahlbetonskelettbauweise geplanten Kliniken. In den Sockelbau sind Lichthöfe integriert, die die Idee des Schiffs aufnehmen und mit Märchenmotiven gestaltet werden sollen. Ein ausgeklügeltes Tageslichtkonzept, das mit Tageslichtplanern in Modellsimulationen erstellt wird, sowie großzügige Verglasungen, Oberlichtbänder, Glasinnenwände und lichtleitende Fassadenoberflächen sorgen für optimale Lichtverhältnisse in den Behandlungsräumen, Zimmern und Fluren. Das minimiert die Betriebskosten und wirkt sich, das beweisen Studien, positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundung der Patienten aus. Diese haben Zimmer mit viel Aussicht dank Panoramafenstern, Abdunkelung und Privatsphäre liefert bei Bedarf ein direkter Sonnen- und Sichtschutz. Viel Ruhe und entspannende Atmosphäre offerieren zudem individuell gestaltete Eltern-Kind-Zimmer, Elternapartments oder Erwachsenenzimmer. Klar, dass kindgerechte Gestaltung, Spiel- und Beschäftigungsareale, Angebote wie ein Geschwister-Kindergarten den Bedürfnissen der Kleinen und ihrer Familien Rechnung tragen. Auch an Selbsthilfegruppen ist gedacht, für Beratungen und Gespräche stehen Extraräume zur Verfügung. Und weil die Nähe zum Patienten und Kommunikation Priorität haben, sind die in den Stationen zentral angeordneten Pflegestützpunkte als freistehende, verglaste Funktionseinheiten konzipiert: So befinden sich die Schwestern mitten im Geschehen und haben stets Augenkontakt mit den Patienten. Für das leibliche Wohl der Mitarbeiter des gesamten Klinikums wird zudem im ersten Obergeschoss gesorgt: Dort wird ein zentrales Casino eingerichtet, in dem 1000 Mittagessen täglich ausgegeben werden können.

Dieses lebendige Zusammenspiel von Räumen und Bereichen, von Schweben und Verankerung ist in der Außenhaut abzulesen. Der Sockelbereich wird bewusst von den Pavillons abgesetzt: Bedruckte Gläser, farblich changierend, und motorisch betriebene Raffstores aus Aluminiumlamellen prägen sein funktionales, gleichwohl ästhetisches Gesicht. Die Fassade der darauf fußenden Bettenhäuser strahlt indes durch warme Farbtöne einen wohnlichen Charakter aus. Die Außenhülle der Patientenzimmer wird zudem durch die leuchtenden Farben der textilen Sonnenschutzbehang belebt und akzentuiert. Große Glasfensterbänder im Sockelbereich, eine Pfosten-Riegel-Konstruktion – im Sockel aus Aluminium, im Pavillonbereich aus Holz-, sowie eine Brüstung aus gefärbtem Glas bringen als horizontale Gliederungselemente Leichtigkeit, Frische sowie die Maßstäblichkeit in den Bau. Das Thema der architektonischen „Schichtung“ wird zudem in einer weiteren Horizontalen aufgenommen, der sogenannten „Hutkrempe“. Diese auskragenden Stahlbetonfertigteile schließen den Unterbau der Pavillons optisch ab und fungieren zugleich als Wartungs- und Putzbalkon. Gegliedert wird auch die Wand der Terrassenebene, allerdings auf andere, ursprünglichere Weise: Eine unregelmäßige Natursteinvormauerung nimmt die typischen Mauern der umgebenden Weinberge auf. Ganz bewusst wird bei der Auswahl der Baumaterialien und Haustechniksysteme auf Nachhaltigkeit gesetzt: Strapazierfähigkeit, Witterungsbeständigkeit und niedrige Instandhaltungskosten sind oberstes Gebot – ein Plus in Zeiten ständig steigender Energiekosten.

Mit bedacht ist auch die Energie von Morgen: Eine Energie- und Dampfzentrale im Untergeschoss wird so ausgelegt, dass sie neben dem Klinikduo, alle bestehenden und zukünftig entstehenden Krankenhausgebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. Technik ist aber nicht nur im Untergeschoss installiert. Ein zusätzlicher Techniktrakt findet sich in der Terrassenebene. Über ihn werden – im Sinne der kurzen Wege – die darunter liegenden hochinstallierten neun OPs versorgt. Dem Aspekt Synergien wird zudem Rechnung getragen, indem Olgahospital und Frauenklinik durch Stege unter der Erde und oberirdisch eng mit dem bestehenden Bau des Katharinenhospitals verknüpft wird. In den Untergeschossen werden die Bereiche des Warenumschlags gemeinsam genutzt. Das Ergebnis: Die Wirtschaftlichkeit und Kooperation innerhalb der Betriebe wird sich deutlich verbessern. Dazu soll auch ein Großlabor beitragen, das für das Gesamtklinikum zuständig ist.

Der Entwurf der Frauen- und der Kinderklinik, die in den Jahren 2007 bis 2012 realisiert werden sollen, reagiert mit seinen rund 400 Betten und 28.200 Quadratmeter Nutzfläche auf die Anforderungen des sich ändernden Gesundheitssystems, das sich zu integrierten Versorgungsformen entwickelt. Die Kombination aus Perinatalzentrum und einem der größten Kinderkrankenhäuser mit Maximalversorgung, in der Geburt und Neonatologie Wand an Wand betreut werden, ist sinnvoll und bisher einzigartig in Stuttgart. Die Lage des Komplexes hat zudem städtebaulichen Charme: So verläuft unter anderem vor dem Haupteingang die großzügige Nord-Süd-Promenade mit einem langgestreckten Patientengarten, der für die Öffentlichkeit sowie für die Patienten und das Klinikpersonal eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. So entsteht ein zentraler lebendiger Platz entsteht, an dem das Klinikcafé angrenzt. Ein neuer Überweg führt oberirdisch direkt in den Stadtgarten hinter der Universität hinein. Diese Konstellation hätte dem britischen Kunstkritiker und Sozialphilosoph John Ruskin gefallen. Der konstatierte einst: „Alle Baukunst bezweckt eine Einwirkung auf den Geist, nicht nur einen Schutz für den Körper.“

Die Geschichte des Neubaus der Frauenklinik und des Olgahospitals begann im Jahr 1996 mit einer Machbarkeitsstudie. Darin wurde geprüft, ob es Sinn machte, die Frauenklinik bei der Kinderklinik „Olgäle“ neu zu bauen. Daraufhin beschloss der Gemeinderat drei Jahre später die Frauenklinik auf dem Gelände Olgahospital zu errichten. Im Jahr 2000 indes wurde die Planung gestoppt und im Sommer eine weitere Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. In dieser sollte herausgefunden werden, ob beide Kliniken besser an den Standort Katharinenhospital verlegt werden sollten. Bereits im Dezember war klar, dass dies realisierbar und sinnvoll ist. Im April 2003 wurde das Raum- und Funktionsprogramm sowie ein beschränkter Realisierungswettbewerb durch den Gemeinderat beschlossen, im Mai folgte die EU-weite Bekanntmachung. Aus 58 Bewerbungen wählte die Beurteilungskommission im September 2003 acht Teilnehmer für den Einladungswettbewerb. Im November 2004 standen schließlich die ersten Preisträger fest: Die Büros HPP Laage & Partner und Sorg + Frosch Planungs GmbH, Stuttgart, die für das Projekt die Arbeitsgemeinschaft HPPSFP gegründet haben.